WÜRSELEN Die nackten Zahlen sind nicht besonders beeindruckend, doch die individuellen Ergebnisse und Erfahrungen, das ausgesprochene und unausgesprochene Feedback sind riesig: Seit etwas mehr als drei Jahren hat der Kinderschutzbund in Würselen das Projekt Familienpaten in die Hand genommen.
Aktuell betreuen sechs Patinnen neun Familien. So wie Laurentina G., die sich einmal pro Woche rund zwei Stunden Zeit nimmt, um die Kinder „ihrer“ Familie zu betreuen, ein wenig Freiraum für die Eltern zu schaffen und das einzubringen, was sie selbst nicht gehabt hat: das familiäre Rückgrat, das unterstützt, wenn es notwendig ist.
„Die Familie hat ansonsten keine Verwandtschaft in der Nähe, die mal einspringen könnte“, berichtet sie. Sie kümmert sich gerne um die Kinder und musste dabei für sich und „ihre“ Familie ausloten, wieviel Hilfe einerseits erwünscht und andererseits leistbar ist.
„Das Projekt Familienpate beruht auf dem Einsatz von Ehrenamtlern. Das ist hier kein Oma-Opa-Projekt, wie es sie anderswo zum Beispiel auch gibt, sondern ein ‚in-der-Woche-Projekt‘, für das ein Ehrenamtler rund zwei bis drei Stunden pro Woche für die jeweilige Familie aufwendet“, schildert Ulla Wessels, Geschäftsführerin des Kinderschutzbunds mit Sitz an der Bardenberger Straße.
Aktuell sucht der Kinderschutzbund dringend nach Verstärkung. Neben der Betreuung der Familie, deren Zusammenführung mit dem Paten sensibel erfolgt – die Chemie muss stimmen –, sind alle sechs Wochen Austauschtreffen der Paten untereinander und drei- bis viermal im Jahr Fortbildungen im Konzept inbegriffen. Ein Familienpaten-Anwärter muss zudem ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorweisen, immerhin geht es um die enge Betreuung von Kindern.
Vera Quinque ist eine weitere Patin. Sie betreut derzeit zwei alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern und seit kurzem zudem eine Flüchtlingsfamilie. „Über die letzten drei Jahre haben sich die Kinder in meinen Familien so toll entwickelt, das macht richtig Spaß zuzusehen.“ Sie konnte die beiden alleinerziehenden Mütter sogar vernetzen, so dass diese nun auch mal gemeinsam ins Schwimmbad gehen. Einem Jungen im Kindergartenalter hat sie das Vorlesen derart schmackhaft gemacht, dass der nun auf ihren nächsten Besuch brennt, um sich neue Bücher mit ihr zusammen vorzunehmen. „Er hatte eine Hörspielmöglichkeit und hat damit Käpt’n Sharky gehört. Als ich ihn mal gefragt habe, was denn die ganzen Schiffsausdrücke bedeuten, hatte er gar keine Vorstellung. Deshalb lese und arbeite ich nun zuerst mit ihm die Bücher durch, damit er im Anschluss die Hörspiele überhaupt richtig verstehen kann.“ Die engagierte Patin hat beispielsweise bei Möbelanschaffungen schon geholfen, denn in ihrer Familie stehen Hänger und Anhängerkupplung bereit, der Elektriker ist nicht weit.
Doch Ulla Wessels stellt heraus: „Jeder Pate bringt ein, was er oder sie kann und leisten will.“ Bei Vera Quinque geht es auch mal um lebenspraktische Hilfe für die Eltern, wenn zum Beispiel eine Bewerbung zu schreiben ist. Oft sind die Mütter auch froh, Rat und Hilfe von einer Person zu bekommen, die über etwas mehr Lebenserfahrung verfügt.
In ihrer Flüchtlingsfamilie wiederum sieht Vera Quinque ganz neue Herausforderungen. Das Jugendamt hatte den Fall dem Kinderschutzbund angetragen, da die Tochter im Sommer eingeschult werden soll. Doch es mangelt an vielem. „Das Wort Bügeleisen kommt im Kindergarten nicht vor, und die Familie hat zwar Hilfe in der Rückhand, allerdings von Menschen aus ihrer Nachbarschaft mit demselben Migrationshintergrund. Wenn ich nach einem Eimer frage, schaue ich erst mal in verständnislose Gesichter.“ Hier muss sich Vera Quinque selbst am Riemen reißen. „Eigentlich müsste ich mich dort sieben Tage die Woche sehen lassen, aber das ist nicht möglich.“ Deshalb schafft sie, was ihre Möglichkeiten erlauben. Vera Quinque und Laurentina G. haben ihr Patenamt übrigens beide übernommen, nachdem sie von dem Projekt in der Zeitung gelesen haben. Ihr großer Wunsch ist Verstärkung, vielleicht sogar der ein oder andere Mann, der die bislang ausschließlich weiblichen Paten ergänzen würde.
„Die Ehrenamtler leisten hier ganz wichtige Arbeit und werden damit nicht allein gelassen, denn wir reflektieren in der Gruppe das Erlebte. Unser Projekt hat schon vielen geholfen, und wir möchten es für weitere Familien öffnen“, berichtet Ulla Wessels. Die Finanzierung des Projekts für Würselen läuft über die Stadt und mithilfe von Spenden. Ulla Wessels nennt keine Grundvoraussetzungen für die Unterstützung auf Seiten der Familien, auch wenn sie gewichten muss, wenn mehrere Anfragen vorliegen. Allein, mehr Ehrenamtler braucht’s!
Der Deutscher Kinderschutzbund freut sich über Paten-Anwärter, die sich telefonisch unter 02405/94488 oder per Mail unter ulla.wessels@kinderschuetzer.info an die Projektleiterin wenden können.
(ust)