Der Kinderschutzbund sucht neue Paten für junge Familien mit Unterstützungsbedarf
Von Daniela Lövenich – Supersonntag
Kuscheln, spielen, Ausflüge machen, bei den Hausaufgaben helfen – die Aufgabenbeschreibung dieses „Stellenprofils“ lässt aufhorchen. Bewerber können gerne bereits im fortgeschritteneren Alter sein, sollten im Idealfall Erfahrung im Umgang mit Kindern haben (es zählen auch die eigenen) und bereit sein, mindestens zwei bis drei Stunden pro Woche Zeit für ihren „Job“ mitzubringen. Doch obwohl diese Ausschreibung spannend und vielseitig klingt, mangelt es an „Fachkräften“. Und so kommt es, dass der potenzielle „Arbeitgeber“, der Deutsche Kinderschutzbund Alsdorf-Herzogenrath-Würselen, mehrere offene Stellen zu verzeichnen hat. Doch um welchen Job geht es eigentlich genau? „Wir suchen ehrenamtliche Mitarbeiter, die bereit sind, eine Patenschaft für eine Familie zu übernehmen“, bringt es Geschäftsführerin Ulla Wessels auf den Punkt. „Diese Familienpaten bringen Zeit und ein offenes Ort mit, geben Erziehungstipps und kleine Hilfestellungen im Alltag und kümmern sich vor allem um die Kinder.“
„Pool“ an Paten
kleiner als Nachfrage
Bereits seit drei Jahren vermittelt der DKSB die Ehrenamtlichen an Familien, die Unterstützungsbedarf haben. Meist geschieht das über Anfragen seitens des Jugendamtes. Manchmal melden sich aber auch die Eltern selber. Das Problem: Der „Pool“ an Familienpaten ist kleiner als die Nachfrage.
Vera Quinque findet das schade. Sie ist bereits seit drei Jahren Patin und kümmert sich um zwei Familien – eine mit Flüchtlingshintergrund und eine mit alleinerziehender Mutter. „Dieser sehr jungen Frau fehlte einfach Zeit zum Durchatmen. Sie hatte keine Familie vor Ort, die ihr mit dem Baby hätte helfen können. Sie war sehr bemüht, anfangs aber unsicher und überfordert“, blickt Quinque zurück. „Ich konnte ihr mit kleinen praktischen Tipps und Ratschlägen Hilfestellung in Organisations- und Erziehungsfragen geben und habe gesehen, wie sie zunehmend stabiler und sicherer wurde. Das fand ich sehr schön. Ich habe das Gefühl, sie ein Stück weit begleitet zu haben.“ In „ihrer“ zweiten aus Afrika stammenden Familie engagiert sich Vera Quinque nach wie vor, hilft ihnen beim Einfinden ins System, bei Formalitäten und logistischen Herausforderungen wie dem Kauf und Transport einer gebrauchten Küche. Wie viel Zeit sie pro Woche aufwendet, kann und mag die Familienpatin nicht so recht sagen. „Erstens schwankt das, weil es mal mehr und mal weniger zu tun gibt. Und zweitens ist es ja meine persönliche Entscheidung, wenn ich mehr als zwei bis drei Stunden Engagement aufbringe. Ich gebe da mein Herz rein, wachse mit der Familie und vor allem den Kindern zusammen.“ Die Mutter eines erwachsenen Sohnes vergleicht ihre Aufgabe mit der eines Physiotherapeuten im Krankenhaus – denn das war ihr ursprünglicher Beruf. „Positiv begegnen, unterstützen und motivieren“, bringt sie „ihre“ Formel auf den Punkt.
Brigitte Schwartz hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Ebenfalls seit Beginn des Patenprojekts in Würselen betreut sie eine syrische Familie mit vier Kindern. Da eines der Kinder chronisch erkrankt war, lag der Fokus zunächst auf der Betreuung der Geschwister während der Behandlungszeiten. Häufig hat Brigitte Schwartz auch die Fahrten zum Krankenhaus übernommen. Heute, da glücklicherweise alles gut ausgegangen ist, geht es um Freizeitaktivitäten wie Besuche im Tierpark oder um alltäglichere Dinge wie die Anmeldung in einer Kinderturngruppe. „Die Eltern kennen die vorhandenen Möglichkeiten gar nicht“, hat die Familienpatin festgestellt. „Sie sind dankbar, wenn man sie auf solche Angebote aufmerksam macht. Dann ist ihre Bereitschaft zum Mittun auch sehr groß!“ Brigitte Schwartz zieht ihre Motivation in erster Linie aus der Zuneigung der Kinder ihr gegenüber.
„Ich bin für sie eine wichtige Bezugsperson geworden. Ich habe sie lieb und sie fühlen sich bei mir gut aufgehoben!“ Auch das Verhältnis zu den Eltern ist so gut, dass die deutsche Familienpatin und ihre afghanischen Paten mit ihren jeweiligen Familien Heiligabend auf Burg Wilhelmstein gefeiert haben. „Als wir da alle zusammen saßen, war das ein sehr schönes Bild, das mir zu Herzen gegangen ist!“ Vor ein paar Wochen hatte Brigitte Schwartz einen Unfall. Sie stürzte und zog sich einen komplizierten Armbruch zu. „Da hat sich die Konstellation verändert: Meine Patenfamilie hat sich um mich gekümmert und mir Hilfe angeboten. Das war eine sehr schöne Erfahrung!“ Eine zeitliche Begrenzung für ihr Engagement hat sie sich nicht gesetzt. „Wenn ich gebraucht werde, bin ich da. Das ist für mich selbstverständlich. Und ich bin wirklich sehr gerne Familienpatin. Für mich ist das genau das Richtige!“
Pate für kleinen
Fußballer gesucht
Ulla Wessels lächelt bei diesen Worten. Sie weiß, dass sich viele grundsätzlich Interessierte Gedanken darüber machen, sich zeitlich zu sehr binden zu lassen. „Wir freuen uns schon sehr, wenn jemand zwei bis drei Stunden Zeit pro Woche mitbringt. Das hilft schon sehr“, stellt sie klar. Aktuell sucht sie einen bevorzugt männlichen Familienpaten, der bereit wäre, mit einem kleinen Jungen aus Afghanistan etwas Zeit zu verbringen und auch mal Fußball zu spielen. Er hat zwei behinderte Geschwister und kommt dadurch manchmal zu kurz, da der Vater oft auf Montage und die Mutter in die Pflege eingebunden ist. Den Familienpaten muss klar sein, dass sie nicht – wie zum Beispiel beim Projekt wellcome – in funktionierende Familien mit Neugeborenem gehen, sondern dass sie auf Familien treffen, die oft vielfältige Probleme zu meistern haben. Vor einem möglichen Einsatz sollen sich deshalb beide Seiten kennenlernen und schauen, ob die Chemie stimmt. Die Familienpaten nehmen an Schulungen über Kommunikationstechniken oder Erste Hilfe teil. Auch der Erfahrungsaustausch untereinander wird regelmäßig gepflegt.
Interessierte wenden sich an Ulla Wessels, Tel. 02405/94488, E-Mail: dksb.wuerselen@t-online.de