Wie Ehrenamtler hilfsbedürftige Eltern und Kinder unterstützen

Würselen Wenn Familien nicht mehr weiterwissen und Hilfe brauchen, bieten die Familienpaten des Kinderschutzbundes Alsdorf-Würselen-Herzogenrath Unterstützung an. Wie das Programm funktioniert und warum es sehr erfüllend sein kann.

Ulla Wessels (Dritte von links) ist die Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes Alsdorf-Würselen-Herzogenrath. Sie vermittelt Paten und Familien für Würselen. Foto: MHA/Najoua Taleb

In den Räumlichkeiten des Kinderschutzbundes AlsdorfWürselenHerzogenrath kommen sie zusammen: die ehrenamtlichen Familienpaten. Insgesamt stehen für Würselen acht Paten zur Verfügung „und es dürfen gerne mehr werden“, sagt Ulla Wessels. Die Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes weiß, wie groß der Zulauf von Familien, die Unterstützung brauchen, ist. „Die Anfragen kommen über Institutionen, Schulen, aber auch über die Hilfesuchenden selbst“, sagt Wessels.

Die Paten sollen diese Familien im Alltag unterstützen und sie entlasten. Konkret erfolgt dies vor allem über die Kinderbetreuung. Brigitte Schwartz ist seit fast acht Jahren Familienpatin – und das mit Leidenschaft. Bei gleich zwei Geburten war sie mit dabei. „Aktuell betreue ich zwei Familien, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Eine geflüchtete Familie mit fünf Kindern und einen Witwer mit zwei Kindern“, erzählt Schwartz. Wenn sie von den Kindern spricht, kann sie ihr Lächeln kaum verbergen.

Auch die Eheleute Quinque sind mit viel Herzblut Familienpaten. Vera Quinque unterstützt den Kinderschutzbund seit 2016. „Als mein Sohn 17 Jahre alt wurde und in die Oberstufe kam, hatte ich mehr Zeit und wollte mich ehrenamtlich engagieren“, beschreibt sie ihre Anfänge. Ihr Ehemann Michael Quinque habe in dieser Zeit bereits viel im Hintergrund unterstützt. Seit einigen Monaten ist auch er offizieller Familienpate.

Wie die anderen Ehrenamtler auch, wollen sie Familien in schwierigen Situationen helfen. Wie zum Beispiel Natalia R. Sie ist alleinerziehend mit zwei Söhnen, einer ist sechs und der andere wird drei Jahre alt. „Es sind Kleinigkeiten, wie in Ruhe zu duschen oder mal etwas zu backen, was sich für mich schwierig gestaltet“, erzählt die 35-Jährige. Es gehe ihr nicht darum, dass ihr die Kinder abgenommen werden – sie brauche Unterstützung im Alltag, auch um selbst neue Energie zu tanken. „Dass ich einfach mal zwei Stunden abschalten kann, ohne diese innere Anspannung.“

Zwei Jahre lang wurde Natalia R. von A nach B geschickt, doch konkrete Unterstützung blieb aus – bis sie von der Familienpatenschaft erfuhr. „Ich finde es großartig, was die Menschen hier leisten, und es gibt so viele Eltern, denen es ähnlich ergeht und die Hilfe brauchen“, sagt sie. Ulla Wessels weiß, dass sich viele Eltern nicht trauen, Unterstützung zu suchen. Ähnlich erging es auch Natalia R. „Ich bin irgendwann mal an einen Punkt gekommen, wo ich mir einfach eingestehen musste, dass ich das allein nicht mehr packe.“ Viele wissen aber auch schlichtweg nicht, welche Hilfsangebote es gibt.

Und genau das sei der Knackpunkt: Unterstützung zu bieten, bevor es zu spät ist. „Man kann als Alleinerziehende einiges überbrücken, aber eines Tages habe ich mich gefühlt, als würde ich im offenen Meer ertrinken und weit und breit ist niemand da, der mir hilft“, sagt Natalia R. Daher sei es wichtig, genau dann Hilfe zu suchen, bevor die Kinder darunter leiden und die Eltern in mentale Probleme verfallen. „Die Stadt Würselen legt großen Wert auf diese Arbeit, trotzdem gibt es immer noch zu wenig Unterstützung an vielen Stellen“, sagt Wessels.

Die Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes stellt heraus, dass es nicht um Kinder und Familien geht, die das Jugendamt eigentlich betreuen sollte. „Das Projekt ist ein Präventionsprojekt, was bedeutet, dass die Familien frühzeitig unterstützt werden.“ Finanziert werde die Familienpatenschaft durch die Stadt Würselen.

Die Laufzeiten, wie lange eine Familie betreut wird, seien sehr unterschiedlich. „Sinn der Sache ist es eigentlich, dass unsere Paten die Menschen zeitweise begleiten“, erklärt die Geschäftsführerin – die Realität sehe meist anders aus. Viele Familien kehren zurück, wenn sie mit neuen Problemen konfrontiert werden. „Dass das Projekt nur kurzfristig läuft, stellt sich dann doch schwieriger dar. Die Paten können nicht einfach rausgenommen werden, wenn neue Dinge bei den Familien passieren“, gibt Wessels zu bedenken.

Dennoch heißt das nicht, dass die Paten sich den Familien ausnahmslos hingeben müssen – ganz im Gegenteil. Den Inhalt und den Aufwand der Arbeit könne jeder Ehrenamtler unterschiedlich ausgestalten. „Wir können schon steuern, wie intensiv wir uns in welchen Bereichen einbringen möchten“, sagt Michael Quinque. Die 25-jährige Familienpatin Ina Neubert zum Beispiel engagiert sich in der Freizeitgestaltung ihres Patenkindes. „Weil ich in der Woche durch meinen Vollzeitjob nicht viel Zeit habe, versuche ich, am Wochenende größere Aktivitäten zu realisieren“, sagt sie. Als Beispiele zählt sie schwimmen, Kino oder den Tierpark auf.

Wichtig sei es, dass die Familien von Anfang an sagen, was sie brauchen, genauso wie die Paten mitteilen müssen, was sie geben können. „Es gibt ein erstes Kennenlernen zwischen der Familie und dem Paten, und beide müssen ehrlich sein und klar sagen, wenn es nicht passt“, sagt Wessels. Vera Quinque erinnert sich an ein Gespräch, wo eine Familie Ansprüche hatte, die sie als Patin nicht erfüllen konnte. „Sie wollten einen Omaersatz, der von montags bis freitags am Abend babysittet, aber das war für mich nicht drin. Am Abend geht meine eigene Familie vor“, sagt die Ehrenamtlerin.

Viele der Familienpaten haben selbst einen sozialen Hintergrund, doch das sei keineswegs ein Muss. „Es geht nicht darum, dass man so einen Beruf schon ausgeübt hat. Viel wichtiger ist es, einen guten Draht zu Kindern zu haben“, betont Michael Quinque, der als Mathematiker arbeitet. Ein Pate müsse die Bedürfnisse der Hilfesuchenden verstehen können. Das bedürfe keiner Ausbildung, sondern es komme auf die nötige Empathie an. „Es gibt sicher viele, die Lust hätten, sich ehrenamtlich zu engagieren, aber denken, dass sie so einen Beruf schon ausgeübt haben müssen. Das ist aber nicht so“, sagt Quinque mit Nachdruck.

Die Familienpaten müssen ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Außerdem bietet der Kinderschutzbund Alsdorf-Würselen-Herzogenrath regelmäßig Kurse und Fortbildungen zu unterschiedlichen Themen an. Im kommenden Kurs soll es um den Umgang mit traumabelasteten Kindern gehen. „Hinzu kommt, dass wir uns alle sechs Wochen zum Reflexionsgespräch mit allen Patinnen und Paten treffen“, sagt Wessels. Bei Unklarheiten können die Ehrenamtler zudem regelmäßig mit den Verantwortlichen des Projekts telefonieren.

Die Geschäftsführerin lobt das große Engagement der Familienpaten. Gerade die Coronavirus-Pandemie habe noch größere Herausforderungen mit sich gebracht. Die Eheleute Quinque berichten davon, dass sie einem Jungen das Homeschooling bei sich zu Hause ermöglicht haben. „Der Familie fehlte die nötige Infrastruktur, deswegen hatten wir ihn montags bis freitags immer vormittags bei uns“, erzählt Michael Quinque. Das Projekt konnte in dieser Zeit dennoch regulär fortgeführt werden.

In einem sind sich alle Familienpaten einig: Das Projekt sei eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. „Natürlich gibt es auch Herausforderungen, aber letztendlich ist diese Arbeit eine Bereicherung für beide Seiten“, sagt Michael Quinque.

Info

Familienpatinnen und -paten schenken Kindern in Würselen Zeit und deren Eltern damit eine Auszeit. Sie besuchen ihre Patenfamilie regelmäßig, den Zeitraum bestimmen sie selbst. Die Ehrenamtler werden auf ihren Einsatz vorbereitet und fachlich begleitet.

Der Kinderschutzbund Alsdorf–Würselen–Herzogenrath wirbt derzeit um neue Familienpatinnen und -paten. Bei Interesse oder Fragen steht Ulla Wessels vom Kinderschutzbund telefonisch unter 0174/5605077 oder 02405/94488 zur Verfügung.